Autowelt KRITISCH

Dienstag, Juli 03, 2007

Wem die Futterglocke schlägt

Bis vor einigen Jahren noch milde belächelt und allenfalls mit Gleichgültigkeit registriert und toleriert, führten Kompakt-SUVs vom Schlage eines Toyota RAV4 oder Honda CR-V ein beschauliches Außenseiterleben im Bewusstsein der Deutschen. In letzter Zeit werden die Zeiten härter für solche Autos, angesichts der Diskussionen um den Klimawandel und die CO2-Emissionen. Und so würde man denken, dass die Spezialisten im Trend-hinterherlaufen, Volkswagen, mit ihrer neuesten Schöpfung, dem Tiguan, voll gegen die grüne Mauer rennen müssten; ganz zu schweigen von der hirnverbrannten Idee in einen unter dem Establishment bereits aufgeteilten Markt drängen zu wollen... - Oder?

Pawlows Erben

Weit gefehlt! Wieder einmal habe ich die pawlowschen Mechanismen unterschätzt, nach deren Pfeife die Fachpresse und der gemeine Deutsche zu tanzen scheinen. In einer groß angelegten PR-Aktion lädt VW die Journalisten zu Testfahrten mit dem Tiguan in Namibia ein um "zu zeigen, dass er auch für's Gelände geeignet ist". So gewann man die ersten Fürsprecher eines Fahrzeugs, das die sicheren Asphaltgefilde in der Käuferrealität nie verlassen wird (vgl. Urban-SUV als "kreative" Wortschöpfung des Entwicklungschefs). Schon glauben einige, dass damit alles geritzt sei, die Segmentführerschaft zu erringen, was angesichts der Ausstattungs- und Aufpreispolitik von VW "interessant" zu werden verspricht. Wie lächerlich dieser ganze Tanz ums Goldene Kalb anmutet, verrät uns ein Blick in den Pressespiegel.

Keinesfalls exotisch

Angefangen bei der mittlerweile zur VW-Postille verkommenen auto motor sport, erfährt man, dass der Tiguan trotz afrikanischem Umfeld "keinesfalls exotisch" wirkt (anders ausgedrückt: langweilig) und laut Entwicklungschef Hackenberg "viel emotionaler sein soll" als der Golf Plus - was wahrlich kein Kunststück wäre, andererseits aber auch kaum glaubwürdig ist, da es sich noch immer um einen VW handelt. Auch sind technische Lösungen verbaut (Bergabfahr-Assistent, Anfahrhilfsfunktion), die beim besten Willen nicht gebraucht werden, da das Haupteinsatzgebiet dieses Wagens - wie oben bereits angeschnitten - schließlich die Stadt sein wird. Förster und andere Leute mit tatsächlichem Bedarf für geländegängige Fahrzeuge im bezahlbaren Rahmen haben genügend Alternativen, die reiner und fokussierter sind, wie bespielsweise den Lada Niva oder diverse Suzuki. Gelenkt wird mit einer elektromechanischen Lenkung, damit das raue Terrain das Lenkrad nicht so sehr durchschüttelt (ein wahrhaft schrecklicher Gedanke, oder?) . Ich gehe jede Wette ein, dass in jedem anderen Fabrikat deshalb am "synthetischen Lenkgefühl" herumgemäkelt werden würde... - Aber wenn es nach der ams geht, so müsste der Toyota RAV4 schon jetzt einpacken.

Good man knows his limitations

Jürgen Pander vom Spiegel beschreibt die Anfang der 90er gescheiterten Gehversuche Volkswagens mit dem Golf Country und nimmt Bezug auf die Tatsache, dass dieser Konzern Trends somit allenfalls hinterherläuft, anstatt welche zu setzen. Mit Vorschusslorbeeren für den Tiguan hält er sich wohltuend zurück. Auch sein Kollege Jürgen Wolff von der SZ gibt sich bedeckt. Es fallen Worte wie "profan" und "Wortgeklingel" (angesichts der Fanale der VW-Marketingabteilung). Was aber beide Artikel verbindet, ist doch die Tatsache, dass es wenig zum neuen Tiguan zu sagen gibt, das man sich nicht selbst auch denken könnte. Somit stellt sich die Frage, warum man dann eine Meldung macht, wenn es doch nichts zu melden gibt? Aber die Futterglocke klingelte und die Hunde sabberten los, manche mehr, manche weniger.

Wozu?

Was ich bisher noch gar nicht gelesen habe, ist eine unverhohlene Kritik zu dem ganzen Unterfangen Tiguan. Hier in Deutschland meint doch eigentlich ein Großteil, dass man alles erfunden hätte, was mit Autos zu tun hat. Nur wieso setzen immer andere die Trends, auf die es jetzt ankommt? Umweltbewusste Konzepte wie der Hybrid (es sei dahingestellt, wie effektiv er wirklich ist); die Amerikaner rudern inzwischen wieder zurück und weg von ihrem SUV-Wahn, während die Deutschen jetzt richtig aufdrehen wollen damit - dabei immer schön mit dem Zeigefinger auf "die anderen" deutend, getreu der Devise "aber die haben doch auch" und "wir wollen auch mal".

Wer mit dem Finger auf andere deutet, zeigt dabei mit drei Fingern auf sich selbst.