Autowelt KRITISCH

Dienstag, November 28, 2006

Über-GTIs

Heute stieß ich auf einen Vergleichstest bei AutoBILD.de, wo die Anabolikafraktion der Kompakten sich ein Stelldichein gab. Mit von der Partie waren Audi S3, BMW 130i, Ford Focus ST, Mazda 3 MPS, Opel Astra OPC und VW Golf R32.

Neutral, dabei doch untersteuernd

Der Tester Gerald Czajka bemerkt gleich zu Beginn, dass alle Kandidaten zu unkomfortabel sind für den Alltagsgebrauch. Und gibt auch recht bald zu erkennen, dass er vom Fachvokabular keine Ahnung hat. So wird das Fahrverhalten des S3 als "weitgehend neutral über alle vier Räder nach außen schiebend" beschrieben. Herrn Czajka ist wohl
nicht klar, dass neutrales Handling weder Über- noch Untersteuern bedeutet, wobei der Audi letzteres mehr als klar offenbart, da er ja nach außen schiebt...
Pluspunkt hier: Die Erwähnung des mickrigen Kofferraums, der dem Allradantrieb weichen musste - ein Manko (das auch dem R32 anzukreiden ist), das allerdings noch nie Erwähnung fand, wenn ich an andere Tests in anderen Zeitschriften denke. Es fällt außerdem das Wort "unterkühlt", was Audis doch recht treffend und lapidar umschreibt.

Beim Mazda sticht der Kommentar ins Auge, dass die Lenkung "stramm" und "seltsam zäh" sei. Nicht so seltsam wie dieser Kommentar, denke ich. Was soll man sich darunter denn vorstellen? Eine etwas präzisere Erklärung wäre nicht schlecht gewesen. Der Rest ist in Ordnung, weder über- noch untertrieben dargestellt. Dass 260 PS den Frontantrieb selbst mit Differentialsperre hoffnungslos überfordern, ist jedem einigermaßen wachen Verstand klar. Wieso hat Mazda keinen Allradantrieb verbaut?

Der BMW kommt gut weg, was Fahrleistungen angeht. Der alltägliche Nutzwert wird still unter den Teppich gekehrt - er existiert nämlich nicht. Ein kurzes Aufblitzen des Kritikpotentials dieses Autos: Die für Autobahnfahrten zu direkte Lenkung. Bis heute grüble ich darüber, was an diesem 1er denn ach so viel besser sein soll als am 3er Kompakt.

Wo ist der Kofferraum?

Kommen wir zum VW R32, der wohl am übelsten gefedert zu sein scheint. Aber wenn er ein Sportwagen sein soll (daher wohl das bockelharte Fahrwerk), wieso hat er dann keinen Sportmotor, der auch in oberen Drehzahlregionen noch Leistung bringt? Die alte VW-Krankheit... Komischerweise wird die Konstruktionsschwäche des zu kleinen Kofferraums hier nicht erwähnt, genausowenig wie schon beim 130i zuvor.

Ein wenig fehl am Platz wirkt der Focus ST schon, wie ein Messer bei einer Schießerei. Aber das ist nicht der Fehler des Autos und Abhilfe ist in Sicht, da der neue Focus RS schon in der Pipeline wartet.
Der Opel kriegt sein Fett ganz gut weg, da seine Fahrbarkeit wohl ein ziemlicher Brocken ist, der erst mal bewältigt werden will. Die hier genannten Kritikpunkte ziehen sich durch die gesamte Fachpresse (auch international), sodass sich durchaus das Bild deckt. Das Exterieur gefällt dem Tester gut, wie es auch gedacht war - anders als beim BMW (ohje), Audi und VW wurden außen vor gelassen (sehen halt aus wie Autos).

Zum Schluss vermisse ich, wie eigentlich immer, die Erwähnung der Spritsorte, welche sich die Leistungskanonen zu Gemüte führen. Nur dem Ford reicht Super ROZ 95, alle anderen genehmigen sich hochoktaniges Super Plus - autsch. Und man ist hinterher auch nicht unbedingt schlauer, sollte man sich im Vorfeld ernsthaft gefragt haben, welches Auto wohl am besten geeignet sei könnte um jeden Tag damit zu leben.

Montag, November 27, 2006

New Honda Legend

Allmählich haben die meisten Zeitschriften und Zeitungen den neuen Honda Legend getestet und es sind mal wieder erstaunliche Diskrepanzen bei Bewertungsdetails festzustellen, wo eigentlich keine sein dürften. Auch wird versucht, schlecht zu machen, wo immer auch nur möglich.

Billig anmutendes Plastik

Zum Beispiel glaubt Jürgen Wolff vom Focus, dass der Legend von der Seite und von hinten an eine Mercedes E-Klasse erinnert - aber klar doch! Auf jeder Seite sind zwei Türen und hinten gibt's rote Lampen und ein Nummernschild...
Dann stört ihn die "billig anmutende" Mittelkonsole. Auf Alumimium getrimmtes Plastik an dieser Stelle gibt es genauso im Mercedes SLR, um bei Vergleichen mit Mercedes zu bleiben, nur kostet der einige Legends mehr. Was wird da wohl mehr schmerzen?
Letzter Punkt: Der (bei der Presse
durchaus unübliche) Hinweis auf den gewaltigen Preisvorteil gegenüber der ausstattungsbereinigten deutschen Konkurrenz. Allerdings wird dieses positive Bild sofort wieder teilweise zunichte gemacht durch eine Anspielung auf den zu erwartenden Wertverlust. Hallo? Sind Autos nun ganz zum Wegwerfprodukt verkommen? Kauft man sich ab jetzt etwa jedes Jahr eine neue Oberklasselimousine? Ich denke, wer sich den Legend mal geleistet hat, gibt den nicht so schnell wieder her, ähnlich wie bei neueren Toyotas, die man gebraucht so gut wie nicht findet.

Sieht aus wie VW Phaeton oder BMW 7er

Tom Grünweg vom Spiegel findet im Äußeren ebenfalls "Anleihen" bei deutschen Limousinen: Nur will er im Legend zur Abwechslung einen Phaeton und einen 7er gesehen haben. Aha? Das neuartige Allradsystem SH-AWD und die Active Noise Cancelation finden positive Erwähnung. Gut.
Nur der Verbrauch schmeckt dem Tester dann zum Schluss im Fazit doch nicht. 11,9 Liter bei 295 PS, also nein... - Sei dazu doch wieder der VW Phaeton herbeigezogen: In der V6-Motorisierung nimmt dieser bei 50 PS und 200 ccm weniger fast dasselbe aus dem Benzintank (11,4l), wobei sich der Honda mit Super begnügt und der VW wie immer gleich zum Super Plus greift...

Schlechter Langsamfahrkomfort

Den Abschuss an negativer Werbung landet natürlich traditionsgemäß die auto motor sport. Im Laufe der Jahre wurde das "Abwatschen" der unliebsamen japanischen Konkurrenz gewiss verfeinert und subtilisiert, doch die schiere Unlust, Arroganz und stereotype Art zu testen bricht immer wieder durch, ist sozusagen wegweisendes Konzept.
Im Einzeltest wird dem Legend gutes Handling bescheinigt, nur um dieses gleich darauf damit zu schmälern, indem man am Langsamfahrkomfort herummäkelt - eine "Schwäche", die irgendwie keinem der bisherigen Tester ins Auge fiel. Auch pflegt die ams den mit Abstand rasantesten Fahrstil, der den Durchschnittsverbrauch auf durstige 13 Liter hochschraubt. In deutschen Autos hingegen wird mit dem "Elan" von Ms. Daisy's Chauffeur herumgegondelt... Der Patient wurde am Schluss gleich als Fall für die Ersatzbank diagnostiziert.

Abstimmungsbedürftig

Wer glaubt, dass das schon dreist war, dem sei der Vergleichstest mit E-Klasse, 5er-BMW und Audi A6 ans Herz gelegt. Jetzt legen die Tester der ams so richtig los. Vergessen das vorhin noch bescheinigte gute Handling, jetzt wird die Sache so dargestellt, dass der computergesteuerte Allradantrieb dem "geübten Fahrer" hineinpfuscht und ihn unnötigerweise verwirrt. - Also wirklich. Da sollte man sich als Tester dann schon fragen ob da nicht eher die eigenen Vorurteilsstrukturen das Fahrerlebnis versauen, der Allradantrieb kann's kaum sein. Schließlich haben's andere davor irgendwie auch geschafft damit auszukommen.
Jedenfalls gewinnt auf einmal der Mercedes den Handlingwettbewerb auf dem Nass-Parcours - wie bitte? Mercedes und Handling? Ganz was neues, wenn man mich fragt... Immerhin hat man inzwischen auch bei der ams erkannt, dass Audis mit ihren zu weit vorn montierten schweren Triebwerken "etwas" kopflastig zu fahren sind. Dann noch schnell nachgetreten bei den angeblich zu harten Dämpfern des Legend und schon wähnt man den Luxusliner aus dem Hause Honda im ungefährlichen Abseits. Bravo.

Neutralität?

Dabei kann es doch auch soviel anders laufen, wenn man ein neues Auto testet: Die Süddeutsche - wahrlich nicht der wertfreieste Vertreter in den Medien, kommt es zu lokalpatriotischen Themen - liefert einen weitgehend neutralen Artikel ab, der am Schluss sogar etwas Bedauern zum Audruck bringt, dass der neue Honda nicht die Chance bekommen wird, die er verdient hätte. Seltsamerweise stammt der Test wieder aus der Feder von Jürgen Wolff. Vielleicht muss man als Journalist eine multiple Persönlichkeit haben, vielleicht schreibt man auch nach dem Prinzip "Wessen Brot ich ess', dessen Lied ich sing'", vielleicht schreibt man aber auch nur sinngemäß Sachen von gleichkompetenten Kollegen in anderen Medien ab - man weiß es nicht.

Aus Liebe zum Automobil

Den jedoch mit Abstand am überzeugendsten und positivsten Eindruck vermittelt die österreichische motorline.cc. Dass da tatsächlich die Liebe zum Automobil diesen Artikel diktiert hat und nicht das eiskalte Promotionskalkül der strippenziehenden deutschen Automobilindustrie, zeigt sich in so vielen Kleinigkeiten. Beim Lenkrad zum Beispiel: In der deutschen Presse für altbacken gehalten, nennt man es hier "sympatisch" und erfährt nebenher, wie Honda-Cockpits der 80er aussahen. Den Vorwurf des Plagiats, den man als deutschsprachiges Medium offenbar irgendwie doch immer anbringen muss um Anerkennung zu finden, betitelt man charmant als "Hommage an andere etablierte Limousinen". In der blumigen österreichischen Art geht es weiter und man erfährt viele Dinge, die zu erwähnen eine deutsche "Fachzeitschrift" sich zu fein ist. Während sich die teutonischen Kollegen über den vergleichsweise späten Leistungsausbruch "wundern", stellt sich der Österreicher schon beim Anblick des V-TEC-Triebwerks auf hohe Drehzahlen ein. Soviel zu Erwartungshaltungen.

Langer Rede kurzer Sinn: Nur die Ösis geben dem Leser das Gefühl, dass der Honda Legend durch und durch das begehrenswerte Auto darstellt, das er in Wirklichkeit auch ist. Den anderen sei gesagt: Wenn man sich schon vor einem Test darauf einstellt und freut, dass der Proband einem nicht gefallen wird, dann sollte man das Testen lieber gleich lassen.